Heute habe ich von HOMO Littera das neue Cover bekommen, den Link des Verlages und die Sicherheit, dass das Buch in Kürze erscheinen soll. Ich muss sagen, ich bin echt froh darüber, besonders weil Juliane mir auf QUEER gelesen das Okay gegeben hat, das Buch vorzustellen.
Natürlich liegt mein Fokus auf dem angekündigten Ausschnitt aus “Mord ohne Leiche” (Steampunk-Krimi / lesbian), aber ein paar Minuten bekommt auch der Rebell 🙂
Hier der neue Klappentext:
Ein Blick hinter die Spiegel reicht, und dein Leben wird sich für immer verändern …
Der 16-jährige Oliver und seine jüngeren Brüder Christian und Michael überleben nur knapp ein Massaker. Ihr Vater ermordet nicht nur ihre Mutter, sondern auch zwei weitere Geschwister. Das Motiv scheint auf der Hand zu liegen: Untreue. Aber Oliver will daran nicht glauben, insbesondere, als auf Christian ein weiterer Anschlag verübt wird. Unter Verdacht steht ihr Großvater, der einzige angebliche Verwandte, der ihre Vormundschaft übernehmen soll. In seinem Haus werden mehrere Tote gefunden, doch die Leichen liegen bereits seit 70 Jahren dort. Die Fälle scheinen nichts miteinander zu tun zu haben, allerdings will Oliver nicht an Zufälle glauben. Gemeinsam mit dem unerfahrenen Kommissar Daniel Kuhn und dem überreizten Matthias Habicht versucht er Parallelen in den Fällen zu finden. Doch schon bald wird klar, dass sie trotz Polizeischutzes nicht sicher sind, denn ihre Gegner scheinen nicht unter den Lebenden zu weilen …
Und ein Stückchen Leseprobe:
Ihr hysterisches Lachen endete in ersticktem Röcheln.
Die folgende Stille versetzte Oliver in abgrundtiefes Entsetzen. Nur das Geräusch von Metall, das Knochen zersplitterte, drang zu ihm. Das Monster zerfleischte sie. Der Anblick brannte sich in seinen Verstand. Er stöhnte. Seine Knie zitterten, zugleich fühlte sich sein Körper an, als würde Lava durch seine Adern strömen. Mit hämmerndem Herzen kauerte er sich tiefer unter die Anrichte und presste seine Fäuste auf die Ohren. Er biss auf seine Unterlippe und schmeckte Blut. Ihm wurde schwindelig. Mühsam zwang er sich zur Ruhe. Er musste fliehen, die Polizei rufen, doch er konnte sich nicht regen. Alles in ihm wehrte sich gegen den Anblick, die Geräusche und den Geruch. Er wagte nicht einmal, ins Wohnzimmer zu spähen – aber er musste, jetzt sofort, bevor auch er starb.
Vorsichtig sah er über die Küchenplatte. Noch immer rammte dieser Wahnsinnige sein Messer in ihren Leib. Deutlich hörte er, wie die Spitze sich in den Boden bohrte. Der Körper seiner Mutter lag vor der Terrassentür. Ihr Blut tränkte den hellen Teppich. Sein Vater kauerte wie ein Nachtmahr über der Masse aus zerschnittenem Gewebe und zerhackten Knochen. Er hob sich deutlich gegen die hellen Gardinen ab. Schwarzgrauer Dunst kräuselte sich um ihn. Stammte der von der brennenden Zigarette seiner Mutter?
Oliver reckte sich vorsichtig. Die Schwaden waren zu dunkel. Oder täuschte er sich? Mit bibbernden Fingern klammerte er sich an die Küchenplatte. Er würgte. Sein Vater, oder wer immer dieses Wesen sein mochte, hatte den Verstand verloren. Er war kein Mensch mehr.
Als dieser die Waffe hochriss, spritzte Blut auf Glas und Gardinen.
Olivers Mageninhalt schoss hoch. Er stieß ein unartikuliertes Geräusch aus und presste die Kiefer aufeinander. Doch zu spät – er erbrach sich. Schwäche breitete sich in ihm aus. Er musste weg, aber seine Muskeln protestierten. Unsicher kroch er aus seinem Versteck, rappelte sich auf und eilte in den Flur hinaus. Flucht war die einzige Chance, wollte er überleben. Obwohl er keine Schuhe trug, kamen ihm seine Schritte viel zu laut vor. Sein Vater würde ihn hören, und er wäre tot, bevor er die Haustür erreichte.
Ein Wutschrei, vermischt mit entsetzlicher Verzweiflung drang aus dem Wohnzimmer. Einen Herzschlag später vernahm er den schweren Gang seines Vaters – er war nicht mehr er selbst, hörte ihm nicht mehr zu. Dem durchtrainierten, cholerischen Mann hatte er auch nichts entgegenzusetzen. Nur Schnelligkeit konnte ihn jetzt retten.
Die Kisten und Koffer seiner Mutter standen noch im Flur. Seine Flucht wurde zu einem einzigen Ausweichmanöver. Verflucht! Genauso gut hätte der Ausgang einen Kilometer entfernt sein können.
„Olli …“ Die weinerliche Stimme seiner kleinen Schwester drang aus dem ersten Stock.
Elli? Sein Herz verkrampfte sich. Er konnte nicht fortlaufen, solange seine kleinen Geschwister noch im Haus waren. In seiner sinnlosen Raserei kannte sein Vater weder Freund noch Feind. Er würde vor den Zwillingen und Marc nicht Halt machen, ganz zu schweigen von Elli, die er hasste.
Oliver blickte nach vorne. Ihn trennten noch fünf oder sechs Schritte von der Haustür.
„Olli!“ In Ellis hysterischem Quietschen lag panische Angst, das Entsetzen, das auch er verspürte. Er musste seine Brüder und Elli in Sicherheit bringen. Abrupt änderte er seine Richtung und rutschte weg. Mit rudernden Armen kämpfte er um sein Gleichgewicht, stürzte aber auf ein Knie. Schmerz zuckte durch sein Bein.
„Chris, Micha …“, keuchte er und sah sich um.
Über den Wohnzimmerteppich huschten bizarre Schatten, schwere Schritte näherten sich.
Olivers Herz raste. Hass und Verzweiflung vereinte sich im Gebrüll seines Vaters. Die Stimme klang fremd. Begriff er, was er getan hatte?
Sicher nicht. Dieses Tier hatte keine Gefühle.
Oliver schauderte. Er versuchte, auf die Füße zu kommen, aber sein verletztes Knie gab unter der Belastung seines Körpers nach. Ein scharfer Stich trieb ihm Tränen in die Augen. Ärgerlich biss er die Zähne zusammen. Beim Boxen hatte er mehr weggesteckt.
Sein Atem stockte. Wie ein gestaltgewordener Albtraum stand sein Vater im Türrahmen des Wohnzimmers. Die weißen Manschetten an seinem Hemd waren rot verfärbt. Von seinen Händen troff Blut auf den Boden. Als er den Arm hob, umwehten ihn Rauchschleier.
Plötzlich zuckte sein Kopf hoch. Oliver fuhr zusammen und wich zurück. Trocken schluckte er, aber in seiner Kehle saß ein Kloß. Instinktiv drängte er sich in den Schatten zwischen Garderobe und Treppe. Aus phosphoreszierenden Augen starrte sein Vater in den Flur. Im nächsten Moment verengte er sie zu Schlitzen. Eisiger Schrecken breitete sich in Oliver aus. Hatte er ihn entdeckt? Mit einer geschmeidigen Geste strich sich sein Vater durch Bart und Haar. Tränen spülten helle Spuren in den schmierig roten Film auf seiner Wange und verliehen ihm einen maskenhaften Ausdruck. In der Rechten hielt er das lange Jagdmesser. Rauch kroch an seinem Arm herab und umwaberte die Klinge. Er schmetterte die Glastür gegen die Wand, Tausend Splitter fegten über die Fliesen.
„Vater …“ Oliver wich zur Treppe zurück.
Einen grotesken Moment entspannte sich die maskenhafte Mimik seines Vaters, die entstellten Züge erschlafften. Es hatte den Anschein, als würde er den Griff um die Waffe lockern. Regte sich doch ein Hauch Menschlichkeit in ihm?
„Olli!“, hallte es wieder von oben.
Elli, schweig!, schrie Oliver in Gedanken.
Das Gesicht seines Vaters verzerrte sich erneut. In seinem Blick glomm Erkennen, als hätte er begriffen, was der eigentliche Grund seiner verzehrenden Wut war: Elli!
„Lauf, Elli!“, rief Oliver.
Splitter knirschten unter den Sohlen seines Vaters. Oliver spürte seine Nerven bis in die Fingerspitzen elektrisieren. Entsetzt fuhr er herum. Abermals explodierte betäubender Schmerz in seinem Knie. Er humpelte, so schnell er konnte, die Stufen hinauf.
„Micha, Chris, bringt Elli und Marc raus!“
Die Holzkonstruktion bebte unter ihm. Vater!
Oliver nahm sich nicht die Zeit, zurückzusehen. „Raus hier!“
Er hörte Ellis hysterisches Weinen. Von den Zwillingen vernahm er keinen Laut. Tränen der Verzweiflung rannen über sein Gesicht. Sein Vater holte ihn unweigerlich ein, und seine Geschwister verließen sich blind auf ihn. Mit beiden Händen zog er sich am Geländer hoch. Die Luft brannte in seinem ausgetrockneten Hals, sengte durch seine Lungen. In einer Seite erwachte stechender Schmerz. Hinter sich hörte er keuchende Atemzüge. Gleich hatte sein Vater ihn eingeholt.
Oliver versuchte zu rennen, aber sein Bein protestierte. Er presste die Zähne aufeinander und ignorierte sein Knie, da sein Vorsprung schmolz. Das Monster war direkt hinter ihm. Etwas Kaltes fuhr ihm in derselben Sekunde über Schulter und Rücken. Er hetzte über die letzte Stufe, glitt aus und fiel.
„Scheiße.“
Oliver rollte zur Seite. Sein Vater war über ihm. Der Dolch kratzte unkontrolliert über das Holz und zog eine tiefe Furche in den Lack. Ohne nachzudenken, riss Oliver seinen Ellbogen hoch, und das Messer polterte ein paar Stufen hinab. Ein brutaler Hieb traf ihn unter dem Auge, sein Kopf schlug hart auf den Boden. Im letzten Augenblick konnte er sich dem Griff seines Vaters entwinden, rutschte dadurch aber über den Treppenabsatz, dessen Kante sich in seine Wirbel bohrte. Eine Faust traf ihn gegen die Brust und trieb ihm alle Luft aus den Lungen. Lichtblitze zuckten hinter seinen Lidern. Er erwartete die nächsten Schläge, die ihm sämtliche Knochen brechen würden, doch sie blieben aus.
Die Treppe bebte stattdessen erneut.
Oliver stemmte sich hoch. Ein paar Stufen unter ihm lauerte sein Vater, sprungbereit, das Messer wieder in der Hand. Ein unmenschliches Grollen drang aus seiner Kehle. Oliver wollte zurückweichen, aber sein Körper versagte. Das Monster würde von unten zustoßen und ihn vom Bauch bis zur Kehle aufschlitzen. Sein Vater duckte sich bereits wie ein Panther vor dem todbringenden Sprung.
Weg!
Nein, er musste sich wehren, ihn die Stufen hinabstoßen!
Jetzt oder nie.
Oliver klammerte sich an das Geländer und zog die Beine an. In diesem Moment stürzte sich sein Vater auf ihn. Er trat mit aller Kraft zu. Sein Vater stolperte rückwärts, kämpfte um sein Gleichgewicht und fiel die Treppe hinunter.
Oliver rutschte in den Gang zurück, quälte sich auf die Füße und lehnte sich zitternd an die Wand. Außer Gefahr waren seine Geschwister und er noch lange nicht. Die Konstitution seines Vaters überstieg seine bei Weitem. Was würde passieren, wenn dieser Irre hier oben ankäme? Er wollte sich davon keine Vorstellung machen.
Unter den wuchtigen Tritten seines Vaters bebte die Holz-Stahl-Konstruktion abermals.
Oliver blickte nach unten und fuhr zusammen. Sein Vater stürmte wieder herauf, die Klinge stichbereit . In seinen Augen lag nicht das geringste Erkennen.
Olivers Herz zog sich zusammen. Leben oder sterben? Die Antwort stand außer Frage. Er würde nicht kampflos aufgeben.
In direktem Stoß zuckte die Klinge Sekunden später in seine Richtung. So nicht! Bei der heftigen Attacke bot ihm das Monstrum eine offene Angriffsfläche. Oliver stützte sich am Geländer ab, nahm Schwung und rammte ihm erneut beide Füße vor die Brust. Betäubender Schmerz schoss durch seine Beine und den Rücken. Wieder polterte es, als der Irre die Stufen hinabtaumelte. Oliver wurde schwarz vor Augen. Hinter seinen Lidern flimmerte grauer Nebel, der sich kaum wegblinzeln ließ. Doch dafür hatte er keine Zeit.
Gott, wenn es dich gibt, hilf uns!, bat er stumm.
Angestrengt kniff er die Lider zusammen und zwang seine Erschöpfung zurück. . Als er die Augen öffnete, gewann die Wirklichkeit wieder Konturen. Das Messer hatte eine dunkle Spur kleiner Spritzer auf den Stufen hinterlassen und lag weiter unten. Eine Bewegung lenkte Olivers Aufmerksamkeit jedoch um. In den Schatten wogten Nebel auf, als sein Vater schwerfällig auf die Füße kam. In seinen Augen funkelte pure Mordlust. Wie Jack Nicholson …
Oliver schluckte trocken und wich wiederholt einen Schritt zurück, sodass er gegen die Wand stieß. Der Abstand zu seinem Vater hatte sich erheblich vergrößert, außer Gefahr waren sie dennoch nicht. Er vergeudete wertvolle Zeit!
Hektisch wirbelte Oliver herum und lief in den Flur. Die Kinderzimmertür flog auf und einer der Zwillinge sprang ihm in den Weg.
„Olli?“
Entsetzt zuckte er zurück, bevor er seinen Bruder umrannte. Michael prallte von ihm ab und blieb vor Marc und Ellis Tür stehen. Er weinte stumm. In seinen Fingern hielt er einen Schirm, den er als improvisierte Waffe schwang. Panische Angst flackerte in seinen hellen Augen, trotzdem sah er ihm entschlossen entgegen. Unsanft schubste Oliver ihn in sein Zimmer zurück. Gegen das Licht der Straßenbeleuchtung erkannte er die Silhouette Christians, der sich mit einem kleinen Holzhammer bewaffnet hatte. Instinktiv sprang auch er sie an und schlug zu. Es tat nicht weh, trotzdem zuckte Oliver. Aus der Abwehrbewegung stieß er seinem Bruder die Hand vor die Brust. Christian stolperte zurück.
„Raus hier!“, brüllte Oliver mit überschnappender Stimme.
Mit Tränen in den Augen und schmerzverzerrtem Gesicht wimmerte Christian. „Olli, was ist los?“
Auf der Treppe hörte er bereits seinen Vater. Unwirsch wies Oliver mit dem Kopf auf das Fenster. „Klettert auf die Garage! Ich hole Marc und Elli.“
Die Augen Christians weiteten sich fragend. „Aber …“
Hinter ihnen polterte es im Treppenhaus. Panik rann glühend durch Olivers Adern. „Flieh mit Micha! Ruft die Polizei!“
Ohne auf eine Antwort zu warten, zog er die Tür des Zimmers hinter sich zu und stürzte in den Nebenraum. Elli kam ihm weinend entgegengelaufen. Sie klammerte sich an ihn. Unsanft befreite er sich und warf hinter sich die Tür ins Schloss. Aus dem Zimmer der Zwillinge hörte er, wie das Fenster geöffnet wurde. Schritte im Kies auf der Garage folgten. Einen Augenblick später gellte ein Schmerzensschrei aus dem Garten. Michael begann zu weinen, Christian rief ihm zu und sprang selbst. Als sich die Stimmen der beiden entfernten, atmete Oliver auf. Nun musste er nur noch Marc und Elli nach draußen bringen. Doch bevor er den Gedanken in die Tat umsetzen konnte, schlug sein Vater bereits wieder gegen die Tür. Das Schloss hielt dem ersten Ansturm stand. Ein weiteres Mal würde seinem Vater dieser Fehler aber nicht unterlaufen.
Oliver stemmte sich gegen das Türblatt und tastete nach dem Schlüssel. Er fehlte. Verdammt …
Hitze und Kälte rannen durch seine Adern. Sein Vater drückte die Klinke hinunter. Wenn er sich dagegendrückte , waren sie geliefert. So viel Kraft hatte er nicht.
„Nimm Marc und versteck dich!“, hauchte Oliver.
Elli schüttelte vehement den Kopf. Sie krallte sich in seine Hose und rieb ihr fiebriges, feuchtes Gesicht an seinem Bein. Tränen rannen über ihre Wangen. Mit beiden Händen umklammerte sie seinen Oberschenkel.
„Elli, weg!“ Oliver versuchte, sich von ihr zu befreien. Doch ihm blieb nicht die Zeit, etwas zu unternehmen. Sein Vater warf sich erneut gegen die Tür, Holz splitterte.
Ich bin tot, wir alle sind tot!, schoss es Oliver durch den Kopf. Im nächsten Moment katapultierte die Wucht ihn durch den halben Raum. Er riss seine kleine Schwester von den Füßen und begrub sie unter sich. Elli schrie vor Schmerzen und Angst auf. Erschrocken rollte er sich herum und drückte sie von sich aus der Reichweite seines Vaters.
Der Anblick des blutigen Riesen raubte ihm allen Mut. Wie gelähmt starrte er seinen Vater an. „Nicht! Marc und Elli sind Kinder, du darfst sie nicht töten!“
Doch sein Vater war mit einem Sprung bei ihm. Hart griff er in seine lange Locken und verkrallte sich darin.
„Nicht …“
Stechender Schmerz zuckte durch Olivers Kopfhaut in seinen Nacken. Brutal riss sein Vater ihn herum und stieß ihn gegen Marcs Bettchen.
Nichts geschah. Kein Geschrei von Marc.
Oliver verlor den Gedanken, als er zu Boden fiel. Ihm wurde schwindelig und schlecht. Ein Faustschlag traf ihn zwischen den Schulterblättern. Er hörte seine Knochen brechen, während alle Luft aus seinen Lungen getrieben wurde. Durch die wirbelnden Nebel seiner Erschöpfung nahm er nur noch wenig wahr. Alle Empfindungen sanken zu einem betäubenden Nichts herab. Elli zerrte an ihm. Das Gefühl versickerte. Heiser weinte sie, schniefte, verstummte …
Warum schrie Marc nicht? Der Gedanke hinterließ nun eine glühende Spur, die ihn elektrisierte. Trotzdem reichte der Schrecken nicht, dass er sich hochstemmen konnte.
Kleine, heiße Kinderhände suchten nach Halt. Oliver zog Elli eng an sich und krümmte sich zusammen. Sie wagte nicht mehr, irgendeinen Laut zu verursachen. Das bebende heiße Bündel Mensch in seinen Armen war voller Leben und Angst.
Noch.
In der Sekunde drang die Klinge in sein gebrochenes Schulterblatt. Der Schock benebelte seinen Schmerz, nur, um einen Herzschlag später doppelt so stark zu explodieren. Oliver schrie. Es klang fremd in seinen Ohren. Ellis dünnes Weinen setzte ein, mischte sich in seine Stimme. Keuchend vergrub er das Gesicht in ihrem Haar, vor seinen Augen tanzten Blitze, etwas rauschte. War das sein eigenes Blut in den Ohren? Das Geräusch war so laut, dass es Elli übertönte und ihn in einen grauen Strudel aus Erinnerungslosigkeit zu reißen drohte.
Elli, kleine Elli …
Sein Vater zerrte ihn an den Haaren hoch. Der Schrei seiner Schwester drang tief in sein Herz. Oliver klammerte sich an sie. Wieder erinnerte er sich an Marc. Sein jüngster Bruder lag vollkommen ungeschützt in seinem Bett. Er wäre ein leichtes Opfer …
Blindlings tastete Oliver nach ihm. Seine Finger umklammerten das Holzgitter und berührten Marcs winzige Füße. Der Kleine war ihm so nah, zugleich aber unendlich weit entfernt. Sein kleiner Bruder wirkte völlig bewegungslos …
Warum schrie Marc nicht? Warum strampelte er nicht?
Tot …
Oliver konnte die Stimme in seinem Inneren nicht festhalten. Instinkte verdrängten den Verstand.
Fort.
In einem letzten Aufbäumen warf er sich nach vorne. Er spürte, wie ihm sein Vater dadurch die Haare büschelweise ausriss. Dumpf und fern fühlte sich der Schmerz an – fremd. Er fiel hart zu Boden, wobei er den weichen Körper Ellis unter sich begrub. Seine Schwester keuchte atemlos und weinte nun ungehemmt. Er hörte schwach ihren rasselnden Atem. Mit ihren kleinen Ärmchen kämpfte sie gegen sein erdrückendes Gewicht an. Mühsam zog er die Beine an den Leib. Es kostete ihn unendlich viel Kraft, aber sie bekam dadurch etwas mehr Freiraum.
Das Messer traf ihn wieder, aber nicht tief. Sein Vater zog es aus seinem Körper. Eine Woge betäubender Erleichterung raste durch seinen Verstand, nur um erneut in Agonie zu explodieren, als die Klinge wieder in ihn eindrang, wieder und immer wieder.
Oliver glaubte, die Schmerzwellen zu fühlen, die durch seine Nerven bis in die Fingerspitzen schossen. Seine Welt versank in blutigen Schleiern und panischer Angst, während er Elli unter sich barg. All seine Empfindungen stumpften ab. Der letzte Gedanke galt seinem Vater: Warum?